STALAG VI A
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STALAG VI a
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8. März 2000

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    Dr.H. Fritsch


5. Westgefangene und Polen

Polen

Bereits mit der Gefangennahme wurden die Polen als Menschen zweiter Klasse behandelt.
Zwischen dem 20. und 24. September 1939 gelangten die ersten Gefangenen in das hastig eingerichtete Stalag; bis zum 11. November wuchs die Zahl auf 12.000 an. Schon Anfang Oktober wurden die ersten 4.500 zum Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft herangezogen.

Ankunft

Ankunft Kriegsgefangener im Hauptlager 1939/41 (Privatarchiv Gisela Grete, Bremen)
In den ersten Wochen waren die hygienischen Verhältnisse schauderhaft, und auch die Verpflegung lag unter den vorgeschriebenen Rationen. Im Laufe der Zeit verbesserte sich die Situation der Kriegsgefangenen: Die Verpflegung wurde besser, aber es dauerte bis Anfang 1942, ehe sie mit Paketen aus der Heimat, vom Roten Kreuz und der Exilregierung in London zusätzlich versorgt wurden.
Wenngleich in der nationalsozialistischen Propaganda die Slawen nach wie vor als „Untermenschen" dargestellt wurden und die Erlasse des OKW für die Behandlung der Polen einen niedrigeren Standard vorschrieben als für die „Westgefangenen", wurden die Polen zunehmend wie Westgefangene behandelt. Franzosen, Belgier und Polen waren im Stalag VI A nicht immer so streng getrennt, wie die Vorschriften es bestimmten. Die strikte Trennung von polnischen Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und deutscher Zivilbevölkerung ließ sich am Arbeitsplatz oder in der bäuerlichen Familie in der Praxis ohnehin oft nicht durchsetzen.
Im Stammlager hatten die Polen fast dieselben Rechte wie etwa die Belgier und Franzosen. Ab Sommer 1940 durften sie in der Freizeit musikalische Veranstaltungen, Theater, Vorträge usw. organisieren und sich sportlich betätigen; auch war ihre religiöse Betreuung gewährleistet. Die verstorbenen Polen wurden wie die Westgefangenen mit militärischen Ehren auf dem Waldfriedhof beigesetzt. Insgesamt starben im Stalag 1939 bis 1945 mindestens 49 polnische Kriegsgefangene.
Über die Situation in den Arbeitskommandos läßt sich bei der Vielseitigkeit des Einsatzes verallgemeinernd nichts sagen. Weder das verklärte Bild des in die Familie aufgenommenen Landarbeiters noch das Bild des in Kälte, Hunger und Schmutz sterbenden Lagerinsassen ist allgemeingültig. Beide Extreme existierten, doch darf keines von ihnen als typisch angesehen werden; dazwischen waren Lebensverhältnisse in der ganzen Bandbreite möglich. Sicher ging es den Polen in den ersten Monaten ihres Aufenthaltes im Stammlager VI A recht schlecht, doch wußten sie sich mit der Ankunft der Franzosen mit ihren Positionen innerhalb des Stalags einzurichten. Sie arbeiteten in der Küche, in der Entlausung, als Sanitäter und Lagerverwalter, in der Kommandantur, Zahlmeisterei und in der Poststelle, bei Bestattungen und als Dolmetscher für andere Nationen. Vermutlich aus Nationalstolz und wurzelnd in dem traditionell schlechten deutsch-polnischen Verhältnis kam es zu einer verschwörungsähnlichen Entwicklung, deren Ausmaß und Zielsetzung sich für das Stalag VI A allerdings nicht mehr rekonstruieren lassen. Als eine Zelle der polnischen Heimatarmee im Stalag entdeckt wurde, verhaftete die Gestapo acht Kriegsgefangene, die in einem Konzentrationslager umgebracht wurden. Im Anschluß an die Verhaftungen setzte im Stalag eine große Verlegungsaktion fast aller Polen in andere Lager ein. Im Juni 1944 befanden sich im Lager nur noch 38, am 1. Juli drei polnische Kriegsgefangene.

Belgier und Franzosen

Am 10. Mai 1940 begann der deutsche Feldzug gegen Belgien und die Nieder lande, im Juni fiel die Wehrmacht in Frankreich ein. Im August des Jahres kamen mit der Reichsbahn täglich oft drei oder vier Transporte mit je 1.500 bis 2.000 Kriegsgefangenen direkt von der Front im Stalag VI A an. Zusammen mit den Belgiern und Polen betrug die Zahl der Gefangenen des Stalags Mitte September 1940 etwa 26.000, von denen sich etwa 20.500 im Arbeitseinsatz befanden.
Da die in der näheren Umgebung Arbeitenden oft ihre Unterkunft im Stammlager hatten, lebten schätzungsweise 6.000 bis 7.000 im Lager selbst, so daß eine qualvolle Enge herrschte. Um eine einigermaßen erträgliche Unterbringung zu ermöglichen, wurden im Nord- und Südlager Zelte aufgeschlagen.
Besonders den dunkelhäutigen Gefangenen aus den französischen Kolonien machte die wechselhafte und oft regnerische Witterung des Sauerlandes zu schaffen, zumal sie nur das besaßen, was sie auf dem Leib trugen. Hunger, Kälte und mangelnde Hygiene führten bei ihnen und den Franzosen zu Krankheits- und Todesfällen.

Gedenkstein

Der Gedenkstein für die französischen verstorbenen Gefangenen in der Werkstatt 1941/42 (Privatarchiv Dieter Voss, Hemer)
Insgesamt verstarben bis 1945 im Stalag 11belgische und 169 französische Gefangene. Ab Dezember 1940 verbesserte sich die Situation der Franzosen und Belgier, da sie aus der Heimat und vom Roten Kreuz mit Päckchen versorgt wurden, so daß sie nicht mehr hungern mußten. An ihren Arbeitsstellen waren Franzosen und Belgier häufig als Facharbeiter eingesetzt und von den deutschen Arbeitskollegen in vielen kleineren Betrieben geschätzt und als fast gleichberechtigt anerkannt, zumal sie oft über lange Zeit im selben Unternehmen tätig waren. Eine bessere Behandlung der französischen Gefangenen, sowohl im Lager als auch im Arbeitseinsatz, lag in der Absicht der deutschen Regierung, die auf ein gutes Verhältnis zum nicht-besetzten Frankreich unter der Regierung in Vichy setzte. Die insgesamt gegenüber den anderen Nationen gute Behandlung hinderte die Franzosen jedoch nicht an zahlreichen Ausbruchsversuchen bzw. Fluchten aus den Arbeitskommandos.
Im Lager gab es eine umfangreiche französische Bibliothek, eine Bastel- werkstatt, religiöse Betreuung und Versorgung durch deutsche Ärzte, so daß man von einer anständigen Behandlung sprechen kann. Ferner verfügten sie über einen Vertrauensmann, der sich bei der Lagerleitung für ihre Interessen einsetzte, was den sowjetischen Gefangenen verwehrt blieb.

Die anderen Nationalitäten

Nach Mussolinis Sturz am 25. Juli 1943 und der Kapitulation Italiens unter dem neuen Ministerpräsidenten Badoglio am 8. September entwaffneten deutsche Truppen in Italien und auf dem Balkan die italienischen Truppen und nahmen nach Abzug der „Bündnistreuen" etwa 650.000 italienische Soldaten gefangen. Von ihnen wurden etwa 550.000 in das Reichsgebiet und in das „Generalgouvernement" transportiert.
Sie waren für den Arbeitseinsatz vorgesehen. Politisch als „Verräter" gebrandmarkt und rassisch als „Südländer" verachtet, wurden sie weitaus schlechter behandelt als die Westgefangenen und zu körperlich schwererer Arbeit herangezogen. Sie hatten anfangs den unklaren Status von „Militärinternierten" und wurden meist im Laufe der Jahre unter stärker werdendem Druck in den Zivilarbeiterstand überführt, ohne daß sich ihre Situation damit wesentlich besserte.
Ab Dezember 1943 gehörten etwa 12.000 Italiener zum Stalag VI A. Ihre Zahl stieg in den Folgemonaten bis auf 14.786 an, fiel dann aber durch Zivilschreibungen in der zweiten Jahreshälfte erheblich und bis Kriegsende auf 190 ab.
Im Hemeraner Lager sind nach unterschiedlichen Angaben zwischen 193 und 209 italienische Militärinternierte gestorben. Wieviele in den Arbeitskommandos bei extrem harter Arbeit und schlechter Verpflegung umgekommen sind, ist nicht festzustellen.
Zu der Behandlung der Serben kann nicht viel gesagt werden, sie war auf jeden Fall schlechter als die der „Westgefangenen".
Briten, Amerikaner und Angehörige anderer Nationen befanden sich meist nur kurze Zeit und in geringer Zahl im Lager. Diese Westgefangenen wurden besser verpflegt als die Sowjets, Italiener und Polen. Erst in den letzten Wochen des Krieges, als für alle die Verpflegung schlechter wurde und schließlich zusammenbrach, mußten auch sie im Lager hungern