STALAG VI A
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Hemer
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STALAG VI a
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8. März 2000

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    Dr.H. Fritsch


3. Die Friedhöfe des Stalag VI A

Die verstorbenen Kriegsgefangenen aus dem Stalag VI A wurden auf gesonderten Friedhöfen bzw. auf einem abgetrennten Teil des kommunalen Waldfriedhofes beerdigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestanden fünf Begräbnisplätze für Kriegsgefangene, von denen drei bis Ende der 50er Jahre aufgelöst wurden. Heute bestehen noch zwei Kriegsgräberstätten: auf dem Duloh und am Höcklingser Weg.

Waldfriedhof, Teil für die verstorbenen westlichen und polnischen Kriegs- gefangenen, undatiert (1943) (Bundesarchiv - Militärarchiv Potsdam)

Die Gräber von Kriegsgefangenen auf dem Waldfriedhof

Der südlich vom Stadtzentrum zwischen den Stadtteilen Sundwig und Westig gelegene kommunale Waldfriedhof war für verstorbene Kriegsgefangene der erste Begräbnisplatz des Stalag VI A und wurde ab Anfang Oktober 1939 von der Stadt Hemer zur Verfügung gestellt. Hier wurden Gefangene aus West-, Süd- und Südosteuropa sowie Polen beerdigt.
Bis Ende 1939 starben 10 polnische Gefangene, bis Ende Oktober 1940 waren 44 Gefangene verschiedener Nationen an Krankheiten wie Tuberkulose, Diphtherie, Ruhr, Herz- und Kreislaufschwäche sowie Lungenentzündung, aber auch an den Folgen von Kriegsverletzungen verstorben.
Auf dem Waldfriedhof wurden von 1939 bis 1945 insgesamt 332 Kriegsgefangene beigesetzt: 166 Franzosen, 12 Belgier, 75 Italiener, 1 Kanadier, 4 Briten, 42 Polen, 17 Jugoslawen und 15 Angehörige unbekannter Nationalität. Die Toten wurden in einfachen Holzsärgen beigesetzt. Die Beerdigungen erfolgten in würdigem Rahmen unter Begleitung französischer bzw. polnischer Feldgeistlicher. In einigen Fällen haben sogar Abordnungen der Wehrmacht an den Leichenzügen teilgenommen.
Im Jahre 1941 erhielt ein französischer Kriegsgefangener vom Lagerkommandanten die Erlaubnis, zum Gedenken an die verstorbenen Kameraden einen Gedenkstein zu schaffen. Die 1m große Stele wurde 1942 auf dem Waldfriedhof aufgestellt. Sie zeigt im oberen Teil das Relief einer trauernden Frau, darunter den erhabenen Schriftzug „ A NOS CAMARADES MORTS EN CAPTIVITE“ („Für unsere in der Kriegsgefangenschaft verstorbenen Kameraden“). Darunter meißelte der Bildhauer ein Kreuz ein und am Fuß die Inschrift „Hemer 1941“.
Ende 1945 bestand die Ehrenanlage nach verschiedenen Umbettungen aus 335 Gräbern. In den Jahren 1947 bis 1956 wurden nach entsprechenden Kriegsgräberabkommen die Gebeine der Westgefangenen in die Heimatländer überführt.
Die sterbliche Überreste polnischer Staatsbürger und von Angehörigen osteuropäischer Nationen bzw. unbekannter Nationalität wurden auf die Kriegsgräberstätte auf dem Duloh überführt. Die verstorbenen Italiener wurden auf den Italienerfriedhof auf dem Duloh umgebettet, so daß die separate Ehrenanlage auf dem Waldfriedhof Anfang 1956 aufgelöst werden konnte. Der kleine französische Gedenkstein wurde Ende 1955 auf die Kriegsgräberstätte auf dem Duloh versetzt.

Friedhof am Höcklingser Weg

Im Dezember 1941 stieg die Zahl der sowjetischen Kriegsgefangenen auf fast 2.600 und verdoppelte sich damit gegenüber dem Vormonat. Ihre körperliche Verfassung war aufgrund der rassenideologisch bedingten, schlechten Behandlung und Ernährung denkbar desolat.

Russenfriedhof am Höcklingser Weg, undatiert (1943) (Bundesarchiv - Militärarchiv Potsdam)
Diese Menschen hatten seit ihrer Gefangennahme, anschließendem Aufenthalt in den Front-Stalags und quälend langen Transporten in winterlicher Kälte in das Deutsche Reich die Hölle durchlebt und wurden sogleich in Arbeitskommandos gesteckt. Selbst die Widerstandsfähigsten waren nun am Ende ihrer Kraft. Die Todesfälle häuften sich, und weder Lagerleitung noch örtliche Behörden schienen darauf vorbereitet zu sein. In aller Eile pachtete die Stadt Hemer im Januar 1942 von der Evangelischen Kirchengemeinde eine an den Friedhof angrenzende Wiese am Höcklingser Weg als Begräbnisplatz für sowjetische Kriegsgefangene.
Auf einem Pferdefuhrwerk wurden die in Papier gehüllten Leichen vom Stalag auf dem kürzesten Wege durch Ostenschlahstraße, Urbecker Straße, Beethovenstraße, Bräuckerstraße und Höcklingser Weg bis zum Friedhof gebracht und dort vom Beerdigungkommando ohne Sarg und Beisetzungszeremonie in die ausgehobenen Gräben geworfen. Das grausige Geschehen auf dem Friedhof konnte von Passanten auf dem Höcklingser Weg und von den Fahrgästen in den Zügen der unmittelbar neben dem Friedhof vorbeiführenden Eisenbahnlinie von Hemer nach Menden beobachtet werden. Das Leichenfuhrwerk war den Anwohnern an der Fahrtroute durch die häufigen Transporte bekannt. Die von der Wehrmacht angestrebte Heimlichkeit und Unauffälligkeit war angesichts dieser Gegebenheiten nicht beizubehalten.
Anfang 1943 war die Aufnahmefähigkeit des Friedhofes bereits erschöpft, und er mußte geschlossen werden. In etwa 15 Monaten wurden hier ca. 3.000 Menschen in 16 Massengräbern beerdigt.
Im Jahre 1949 wurde das Friedhofsgelände grundlegend umgestaltet. Man ebnete die gesamte Fläche ein und pflanzte Rasen und vorwiegend Birken an. Lage und Verlauf der Reihengräber sowie der ursprünglichen Wege sind seitdem nicht mehr zu erkennen. Die Grabzeichen in Form kleiner Metalltafeln wurden zudem entfernt, so daß der Besucher heute die Grabreihen unter dem Rasen nicht mehr erkennen kann.
Ende 1965 wurde das inzwischen verrottete, noch von sowjetischen Gefangenen nach der Befreiung des Lagers aus Beton errichtete Denkmal durch einen neuen, vom Mendener Bildhauer Walter Voss gestalteten Gedenkstein ersetzt. Das neue Mahnmal wurde am 26.11. 1967 (Totensonntag) feierlich enthüllt. Die Kriegsgräberstätte erhielt ihren heutigen Charakter nach einer weiteren Umgestaltung im Jahre 1975.

Denkmal auf dem sogenannten Russenfriedhof am Höcklingser Weg 1993 (Stadtarchiv, Hemer, Fotosammlung)
Das 2.972 qm große, von Birken beherrschte Friedhofsareal ist von einem Zaum mit Hecke umgeben. Der Friedhof ist nur vom Höcklingser Weg aus zugänglich. Vom Tor aus führt eine Treppe zu einem kleinen, mit Platten belegten Platz mit dem Gedenkstein.
Das Denkmal besteht aus drei fein behauenen, sich verjüngenden Ruhrsandstein-Quadern. Der mittlere trägt die Inschrift „Hier ruhen 3000 sowjetische Bürger, die in den Jahren 1941-1945 fern der Heimat starben“. An der Spitze des oberen Quaders ist ein Sowjetstern eingemeißelt.

Der Friedhof auf dem Duloh

Ende März 1943 erhielt das Stalag ein ca. 2 km entferntes Grundstück auf der Anhöhe des Duloh westlich des Stadtzentrums. Der Platz war zwar weiter vom Lager entfernt als der erste Friedhof und außerdem wegen der Steigung des Weges vom Tal aus schwieriger anzufahren, lag aber abseits der Besiedlung. Dieser Begräbnisplatz gehörte zu einem militärischen Sperrgebiet, das die gesamte Anhöhe zwischen der benachbarten Standortschießanlage bis zu einem weiter westlich auf dem Kopf des Duloh gelegenen Munitionsdepot umfaßte. Das Militärgelände war von einem hohen Zaun umgeben und wurde von Soldaten aus der Seydlitz-Kaserne in Iserlohn streng bewacht. Die meisten Hemeraner mieden das Gebiet wegen der militärischen Präsenz und nicht zuletzt auch wegen der Schießübungen. Das Geschehen auf dem Friedhof war den Beobachtungen von Zivilpersonen entzogen. Der Weg des Totenwagens führte durch die Ostenschlahstraße über den Bahnübergang, die damalige Friedrich-List-Straße, die Straße „An der Steinert“ hinauf, durch die Dulohstraße, schließlich über Feldwege östlich an der Schießanlage vorbei zum Friedhof. Die Leichen wurden hier ebenso würdelos verscharrt wie auf dem Friedhof am Höcklingser Weg. Im Stalag wurden die Leichen entkleidet, in Ölpapier eingehüllt und verschnürt. Als im letzten Kriegsjahr kein Papier mehr verfügbar war, warf man die Toten nackt auf den Wagen. Den Bewohnern der oberen Stockwerke in den Häusern an der Fahrtroute bot sich bei den Transporten von oben ein grausiger Ausblick auf die übereinander geschichteten Toten. Die Erinnerung daran ist manchen ehemaligen Anwohnern bis heute unauslöschlich in Erinnerung geblieben. Ein Zeitzeuge erinnert sich so:
„Damals war die Bebauung vor dem Lagertor noch sehr locker, und wir konnten von unserem Haus aus den Lagereingang gut einsehen. An einem Abend geschah es – es war Sommerzeit und wir waren im Garten – daß ein Rad des Totenwagens unter der Last zerbrach. Die Toten, in Papier verpackt, wurden abgeladen und auf die Straße gelegt, bis ein neues Fahrzeug herbeigeschafft werden konnte. Einen Toten hatte man an einem anderen Tag im Halbdunkel einfach verloren. Einer unserer Nachbarn fand ihn und meldete dies der Lagerwache. ...“ Wenn der Totenwagen die Wache am Sperrgebiet auf dem Duloh passiert hatteund auf dem Friedhof angekommen war, begann das Beerdigungskommando mit seiner Tätigkeit.
Ein Zeitzeuge, der 1943 als Wachposten das Geschehen beobachten konnte, berichtete: „Einige mit Schnaps und Sonderrationen erpreßte Gefangene hatten die traurige Aufgabe, die täglich im Stalag anfallenden Toten zu sammeln und mittels eines Pferdefuhrwerkes zum Russenfriedhof, hinter dem Schießstand gelegen, zu transportieren und in dafür ausgehobenen Massengräbern zu bestatten.
Bei einem Kontrollgang der Schießstandwache sah ich gegen fünf Uhr morgens, wie sich ein Pferdefuhrwerk dem besagten Platz näherte. Der wachhabende Offizier erklärte mir: ‘Da kommt wieder eine Ladung Iwan Kaputt.‘ Ich folgte mit geringem Abstand dem Fuhrwerk, welches nun zu einem noch zur Hälfte offenen Graben gefahren war. Der Graben war ca. 3m tief und breit und zog sich der Länge nach eng an die schon bestehenden Gräberfelder. Das Fuhrwerk war nun ganz nah an die noch zu belegende Kopfseite des Grabens gefahren. Der Fahrer, ein Mann in zerlumpter Soldatenkleidung, hob nun das hintere Schütt des Wagens heraus – und schon bot sich mir der grausige Anblick nackter und teilweise nur in Lumpen gehüllter, übereinandergeschichteter Toten. Nun nahm der Mann einen Spaten, schob die Erde von der Wand der zuvor verscharrten Toten zurück. Wiederum ein unbeschreiblicher Anblick teilweise schon in Verwesung begriffener Leichen. Mittels eines Hakens zog er nun die Toten ab, die einzeln und zu mehreren in den Graben kollerten. Mit den Händen – er trug lange Schutzhandschuhe – schichtete er nun die Leichen ca. 1,50 m übereinander auf, drückte sie mit Spaten und Stiefeln fest an. Und wieder wurde die Leichenstirnwand mit Erde abgedeckt und seine grausige, widerliche, menschenunwürdige Art der Leichenbestattung war beendet. In Richtung Stalag entfernte sich das Fuhrwerk, bereit – wer weiß wie viele Male noch – das selbige Tun zu wiederholen. Ich hatte 25 oder 28 Tote gezählt, die nun hier, von aller ihnen von den Deutschen zugefügten Not und Qual, wenn auch auf bestialische Weise bestattet, endlich erlöst waren und letzte Ruhe gefunden hatten. Bei Eintragung in das Wachbuch erfuhr ich von dem Unteroffizier, daß sich der von mir beobachtete Vorgang täglich mehrere Male wiederhole und in der heißen Sommerzeit auch nachts durchgeführt würde.“
Eine Arbeitskolonne sowjetischer Kriegsgefangener war ständig damit beschäftigt, lange Gräben von ca. 3m Breite und 2,50 m Tiefe für die in vier Schichten übereinander liegenden, meist zu Skeletten abgemagerten Toten vorzubereiten. Die Anordnung des Friedhofes und der eng nebeneinander liegenden Massengräber richtete sich im Wesentlichen nach den Vorschriften der Wehrmacht.
Nach der Befreiung des Lagers am 14. April 1945 blieb die Sterberate zunächst mit ca. 100 Todesfällen ähnlich hoch wie in den letzten Wochen vorher, denn die Verbesserung der Lebensbedingungen durch die Nahrungsmittelzufuhr und Medikamente der amerikanischen Armee wirkte sich erst allmählich aus. Für viele Gefangene allerdings kam die Hilfe zu spät, denn die erlittenen Entbehrungen waren zu groß gewesen, und eine Erholung war nicht mehr möglich. Ende April konnte die Sterberate auf ein Drittel reduziert werden und sank in den folgenden Monaten rapide. Seit dem 28. April 1945 wurde ein Verzeichnis der nach der Befreiung auf dem Friedhof beerdigten Sowjetbürger mit 790 Personen geführt. Vom 28. bis 30.4. wurden 96, im Mai 252, im Juni 111, im Juli 83 und im August 43 Menschen auf dem Duloh beerdigt.

Sowjetisches Denkmal auf dem Duloh - Friedhof mit Kränzen zum Volkstrauertag 1999 (Stadtarchiv Hemer, Fotosammlung)
Nach Kriegsende gab die sowjetische Militärmission den Auftrag, ein Denkmal zu errichten. Das von dem russischen Architekten Leutnant Lewitzkij entworfene Monument wurde am 9. Oktober 1945 in Anwesenheit sowjetischer und britischer Offiziere sowie des Hemeraner Bürgermeisters Kleffner feierlich eingeweiht. Das heute noch vorhandene Denkmal hat eine Gesamthöhe von 6 m und ist aus grau-grünem Anröchter Dolomit gefertigt. Es besteht aus einem Sockel mit Stufen, einem Postament mit Inschriften und dem aufgehenden Hauptteil mit einem Relief auf der Vorderseite. DasFlachrelief zeigt im Stil des sozialistischen Realismus drei von der Sklavenarbeit erschöpfte, leidende Kriegsgefangene. Ein fünfzackiger Sowjetstern mit Hammer-und-Sichel-Emblem bekrönt das Denkmal. Das Postament trägt in vertiefter Gravierung an drei Seiten Inschriften in russischer Sprache. In deutscher Übersetzung lauten diese (in der Reihenfolge Stirnseite, rechte Seite, linke Seite):
„Euch, die Ihr erlitten habt alle Qualen und Schmerzen, die Foltern fern vom Vaterland, umgekommen in faschistischer Knechtschaft, ewiges Gedenken und ewige Ruhe 1941-1945. Die Euch zu Tode gequält haben in der Fremde, sind der Strafe nicht entgangen, die sie eingeholt hat. Die mit mächtiger Kraft heute Hinweggefegten sind selbst dem Grab verfallen. Schlaft ruhig. Von der Heimat strömt helles Licht auf Euch in breitem Fluß. Die wachsamen Krieger der Roten Armee schützen Euren Frieden.“
Laut amtlicher Mitteilung vom Februar 1946 wurden auf dem Duloh-Friedhof 19.979 Verstorbene beerdigt, und es waren 22 Einzelgräber vorhanden. In der Folgezeit wuchs die Belegung des Friedhofs durch weitere Einzel- und Massenzubettungen, so wurden ab Ende April 1945 bis zum Jahresende 253 Leichen sowjetischer Kriegsgefangener aus dem Massengrab am Haseloh überführt.
Im Rahmen einer gärtnerischen Umgestaltung im Jahre 1949 wurden die erhöhten Beete auf den Reihengräbern mit Gras eingesät. Um die Anlage besser pflegen zu können, wurde die gesamte Fläche des Friedhofes eingeebnet. Auf eine Markierung der Massengräber wurde verzichtet, und die Grabzeichen in Form kleiner Metalltafeln wurden entfernt. 1963 wurden an den Einzelgräbern einheitlich gestaltete Grabkissensteine aufgestellt.
Im Jahre 1966 wurde das Denkmal einer gründlichen Restaurierung unterzogen, nachdem die ursprüngliche Absicht der Stadt Hemer, ein völlig neues Denkmal zu errichten, aus Kostengründen gescheitert war. Anfang 1987 ließ die Stadt Hemer eine Tafel mit der Übersetzung der russischen Inschriften am Sockel des Denkmals anbringen. Eine weitere Tafel mit Informationen für Besucher am Tor trägt folgenden Text:
„Hier ruhen mehr als 20.000 Opfer der nationalsozialistischen Diktatur und des Krieges, Opfer verschiedener Nationalitäten, die überwiegende Mehrheit aus der Sowjetunion. Die sowjetischen Kriegsgefangenen wurden von der Zwangsarbeit im Ruhrgebiet krank und fast verhungert in das Stammlager in Hemer (Stalag VI A) zurückgebracht. Dort starben sie an den Folgen ihrer Entbehrungen.“
Mehrfach wurden die Tafeln von Unbekannten beschmiert oder zerstört. Nach mehreren Anschlägen im Mai 1987 wurde der Friedhof von der Polizei überwacht und Mitte Juni gelang es, einen weiteren Anschlag zu verhindern. Seit 1982 finden zum Volkstrauertag Gedenkveranstaltungen auf dem Friedhof statt.
Im November 1996 wurde als Zeichen des Glaubens und der Hoffnung rechts vom Mittelweg ein großes orthodoxes Kreuz aufgestellt und am Volkstrauertag am 17. November unter großer Anteilnahme der Bevölkerung von Vertretern der russisch-orthodoxen Kirche eingeweiht.
Der Friedhof auf dem Duloh ist als Kriegsgräberstätte jedermann zugänglich und über ausgeschilderte Straßen vom Stadtzentrum Hemer aus gut zu erreichen. Er hat eine Fläche von 6.728 qm und ist von einem Zaun und einer Hecke umgeben. Der hauptsächlich von Birken geprägte Baumbestand gibt dem Friedhof ein hainartiges Erscheinungsbild. Alle Massengräber liegen ungekennzeichnet unter der Rasenfläche, die nur von mehreren kleinen Beeten, Plattenwegen und der Bepflanzung der Einzelgräber unterbrochen wird. Durch das Eingangstor gelangt der Besucher auf einem breiten Mittelweg zum Denkmal. Links neben dem Mittelweg liegen 22 Einzelgräber in 2 Reihen. Weitere 74 Einzelgräber entlang der Umzäunung befinden sich in der nordöstlichen Spitze des Geländes.Hier hat die 1941 von einem Franzosen geschaffene Stele einen Platz gefunden. In den Einzelgräbern fanden neben wenigen sowjetischen Kriegsgefangenen vor allem Jugoslawen, Polen, Rumänen und Belgier ihre letzte Ruhe, ferner auch zehn Fremdarbeiterinnen und drei Kinder. Ein Großteil dieser Verstorbenen ist nach Kriegsende von anderen Friedhöfen (z.B. Waldfriedhof und Italienerfriedhof) hierher umgebettet worden.
Nach bisher nicht überprüfbaren städtischen Angaben sind auf dem Friedhof 20.470 Verstorbene beerdigt, zum weitaus größten Teil sowjetische Kriegsgefangene aus dem Stalag VI A. Die Kriegsgräberliste von 1975 verzeichnet 717 Verstorbene, davon 702 mit Namen. Dabei handelt es sich um Sterbefälle nach der Befreiung des Lagers oder um bereits namentlich bekannte Tote aus Umbettungen von anderen Friedhöfen. Die Todesfälle wurden von der Lagerverwaltung erfaßt und in die Kartei eingetragen, aber sämtliche Unterlagen der Stalag-Verwaltung wurden entweder vernichtet oder an andere Orte gebracht. Mit Ausnahme von 23 Sterbefällen sowjetischer Gefangener aus den Jahren 1942 bis 1944 erhielten zivile Behörden am Ort wie z.B. das Standesamt keine Auskünfte über verstorbene Sowjetbürger. Neuere Forschungen von Historikern haben aber gezeigt, daß in Archiven in Berlin und Podolsk bei Moskau ein Großteil der Namen der Verstorbenen und ihre Grablage ermittelt werden kann.

Das Massengrab am Haseloh

Nach der Einnahme des Lagers am 14. April 1945 bot sich den amerikanischen Soldaten ein grausiges Bild: Im Totenkeller von Block 5 türmten sich die toten Leiber bis an die Decke. Der Artilleriebeschuß des Lagers wenige Tage zuvor hatte viele Tote gefordert, und das nahende Ende des Krieges führte durch Auflösungserscheinungen bei der Lagerverwaltung in ein Chaos, so daß auch Abtransport und Beerdigung der Toten unterblieb. Die bereits in Verwesung übgergegangenen Leichen bedeuteten akute Seuchengefahr mit unabsehbaren Folgen für das völlig überbelegte Lager. Die amerikanische Lagerführung ordnete daher den unverzüglichen Abtransport und die Beerdigung der Toten in unmittelbarer Nähe des Lagers an. Da der Zaun in Höhe der Straße „Im Haseloh“ durch den Artilleriebeschuß bereits offen und die Entfernung zu Block 5 mit dem Totenkeller gering war, entschloß man sich, die Leichen mit Lastwagen in nördlicher Richtung in das damals unbebaute Gelände des Haseloh zu bringen und dort in Massengräbern zu beerdigen. Zum Leichentransport und Ausheben der Gräber wurden deutsche Kriegsgefangene herangezogen.

Transport der am 14.4.1945 im Totenkeller aufgefundenen 253 russischen Leichen zum Massengrab am Haseloh, 16.4.1945 (National Archives, College Park, USA)
Das Massengrab lag im heute teilweise überbauten Areal im Dreieck Aldegreverstraße/Dürerstraße/Holbeinstraße. Der etwa 50 x 6 m große Friedhof auf dem Ackergelände bestand bis Dezember 1946. Auf Anordnung der amerikanischen Armee wurden die hier anonym beerdigten 253 sowjetischen Kriegsgefangenen auf den Friedhof auf dem Duloh umgebettet.

Der Italiener-Friedhof auf dem Duloh

Etwa 50 m südwestlich vom Russsenfriedhof lag bis 1957 ein ca. 850 qm großer, abgezäunter Friedhof für italienische Militärinternierte. Im Frühjahr 1945 wurden hier zunächst 122 verstorbene Italiener vom Stalag, nach Kriegsende vom italienischen Personal des Standortlazarettes beerdigt. Anfang 1946 wurden 75 verstorbene Italiener vom Waldfriedhof hierher umgebettet. Nach weiteren Umbettungen erreichte der Friedhof im Jahre 1949 seine umfangreichste Belegung. Im Juli 1957 wurden nach den Bestimmungen des deutsch-italienischen Kriegsgräberabkommens die Gebeine von 182 italienischen Staatsbürgern auf einen großen Zentralfriedhof in Frankfurt am Main umgebettet. Nach der Überführung der sterblichen Überreste von Personen anderer Nationalitäten auf den Duloh-Friedhof wurde der Friedhof aufgelöst und Teil des damals britischen Truppenübungsplatzes.

Die Toten des Stalag VI A

In Hemer ist ebenso wie an anderen ehemaligen Stalag-Standorten (z.B. Schloß Holte-Stukenbrock, Fallingbostel, Bad Orb, Hammelburg u.a.) häufig die Frage nach der genauen, historisch richtigen Anzahl der Verstorbenen bei den sowjetischen Kriegsgefangenen und nach ihren Namen gestellt worden. Überall herrschte die gleiche Situation: Man stand unvorstellbar großen, gerundeten Zahlen aus Quellen und Zitaten der unmittelbaren Nachkriegszeit gegenüber, ohne deren Wahrheitsgehalt wegen fehlender oder lediglich fragmentarischer Unterlagen überprüfen zu können. Nach nicht überprüfbaren Quellen der frühen Nachkriegszeit wurde bisher von einer Zahl von etwa 24.000 Todesopfern verschiedener Nationen ausgegangen. In den ehemaligen „Stalag-Städten“ kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Auseinandersetzungen um die Dimensionen des unfaßbaren Geschehens. Die einen halten die überlieferten Zahlen für zu hoch, andere wiederum kommen anhand von Hochrechnungen auf weit höhere Zahlen von Toten. Beide Tendenzen können der sachlichen Auseinandersetzung und Aufarbeitung dieses Geschichtskapitels nicht dienlich sein. Dabei bleibt die Zahlendiskussion allein zu vordergründig. Die Gedenkstättenarbeit widmet sich dem gesamten Phänomen in allen seinen Aspekten. Die Beschäftigung mit der Stalag-Geschichte ist nicht von der Höhe der Opferzahlen abhängig, sondern es gilt heute, den kommenden Generationen das Geschehen von damals zu vermitteln. Veröffentlichungen zu diesem Thema sollen deutlich machen, welche Verbrechen im Namen irgendeiner Ideologie oder selbsternannten Ordnung geschehen können, wo dieses Tun seine Wurzeln hat und warum Menschen unvermittelt Traditionen und moralische Schranken durchbrechen. Voraussetzung für die nachhaltige, glaubwürdige Vermittlung der Geschichte ist die sachliche Dokumentation mit nachweisbaren Fakten, die nicht im Sinne dieser oder jener Interessen nach Bedarf interpretiert werden können.
Nach den seit 1997 laufenden Forschungen von Historikern besteht für die Geschichte des Stalag VI A die Chance, den historischen Gegebenheiten bei Opferzahlen und Namen der sowjetischen Kriegsgefangenen in einem bisher nicht für möglich gehaltenen Maße nahezukommen. Wiederentdeckte Dokumente aus der ehemaligen Wehrmachtsauskunftsstelle, die bis heute unter der Bezeichnung „Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht“ in Berlin existiert, und im „Zentralarchiv des russischen Verteidigungsministeriums“ in Podolsk bei Moskau neu erschlossene Bestände belegen, daß auch die sowjetischen Kriegsgefangenen zumindest in den Grenzen des Deutschen Reiches im Gegensatz zur bisherigen Forschungsmeinung karteimäßig erfaßt wurden, so daß die Schicksale der meisten Todesopfer in den Stalags aufgeklärt werden können. Das Stadtarchiv Hemer hat inzwischen Belege über ca. 1.000 auf dem Duloh und auf dem Friedhof am Höcklingser Weg begrabene sowjetische Kriegsgefangene erhalten. In den kommenden Jahren sind bei weiteren Fortschritten der langwierigen Forschungen weitere Dokumente zum Stalag VI A zu erwarten, so daß ein Großteil der bisher namenlos geglaubten Toten aus ihrer Anonymität befreit werden kann. Der bisher erreichte Stand der Forschungen läßt die Schlußfolgerung zu, daß die Zahl von etwa 3.000 Toten auf dem Friedhof am Höcklingser Weg wohl realistisch ist, während die erschreckend hohe, für den Friedhof auf dem Duloh überlieferte Zahl von fast 20.000 Toten wahrscheinlich nach unten korrigiert werden muß. Endgültige Ergebnisse über die Situation in Hemer sind allerdings erst nach Abschluß der Forschungen zu erwarten.
Bei der Diskussion um die Opferzahlen in Hemer sollten jedoch die vielen tausend Gefangenen nicht vergessen werden, die vom Stalag aus in den Arbeitseinsatz vor allem im Ruhrbergbau geschickt wurden und in den Arbeitskommandolagern, an den Arbeitsplätzen und auf dem Weg dorthin bei Unfällen, Willkürakten der Bewacher, Luftangriffen, Krankheiten, Seuchen und Unterernährung ums Leben gekommen und in den jeweiligen Städten beerdigt sind.